Uhlandfreunde aus Japan besuchen die Fähre in Stuttgart Hofen
Vor 200 Jahren verfasste Ludwig Uhland das Gedicht „Auf der Überfahrt“. Dies war Grund genug für die Uhlandfreunde aus Japan, den Schauplatz der Dichtung, die Fähre in Hofen, zu besuchen. Hier soll nun erzählt werden, wie das Gedicht nach Japan gelangte und wie die Uhlandfreunde nach Hofen kamen.
Am 13. September 1956 veröffentlichte Professor Kiichi Inoma einen Leserbrief in der renommierten japanischen Tageszeitung „Asahi Shimbun“. Er bat um Informationen zu einem bestimmten Gedicht, das er als Junge in einer Jugendzeitschrift gelesen hatte. Der Inhalt des Gedichts berührte ihn zutiefst, da es von der Freundschaft des Dichters handelte, der sogar für seine längst verstorbenen Freunde die Fährmiete bezahlen wollte. Seit diesem Moment war Professor Inoma entschlossen, den Namen des Dichters, den Titel und den ursprünglichen Text des Gedichts zu finden. Nach jahrzehntelanger Suche und mit der Hilfe von Freunden entdeckte er schließlich, dass das Gedicht von Ludwig Uhland mit dem Titel „Auf der Überfahrt“ stammte.
Weitere Nachforschungen ergaben, dass der bedeutende japanische Pädagoge, Agrarpolitiker und Diplomat Inazo Nitobe (1862-1933) das Gedicht bei einer Abschiedsfeier an einer Hochschule in Japan im Jahr 1912 als Geschenk für seine Studenten rezitierte. Die Studenten waren zutiefst bewegt von Nitobes Rede.
Die Geschichte von Inomas jahrzehntelanger Suche und das Gedicht selbst fanden in Japan großen Anklang. Die Zeitung „Asahi Shimbun“ berichtete mehrfach darüber. Dies inspirierte mehrere Menschen, die von dieser Geschichte beeindruckt waren, die Umstände der Überlieferung des Gedichts nach Japan genauer zu erforschen. Sie gründeten die Uhlandfreunde Japan und begannen auch nach einer Vertonung des Gedichts zu suchen. Dabei stießen sie auf die Vertonung von Carl Löwe aus dem Jahr 1843 mit dem Titel „Die Überfahrt“. Die Uraufführung dieser Vertonung fand 2004 bei einem Konzert der Carl-Löwe-Gesellschaft in Tokio statt, möglicherweise die erste Aufführung dieser Art in Japan und vielleicht sogar in ganz Asien.
Die Uhlandfreunde aus Japan stießen bei ihrer Internetrecherche auf den Blog „Menschen am Neckar“ und konnten so erstmals den Schauplatz der Dichtung eindeutig verorten – die Fähre in Stuttgart Hofen. Es stellte sich heraus, dass es nicht Heidelberg war, wie Professor Inoma immer geglaubt hatte, sondern Hofen. Der örtliche Bürgerverein errichtete 2017 eine Hinweistafel an der Stelle, an der sich die beschriebene Fähre befand. Die Tafel zeigt historische Bilder und das Gedicht „Auf der Überfahrt“. Wolfgang Zwinz, ein Ortshistoriker aus Hofen, ergänzte die Tafel um die Namen und Lebensläufe der im Gedicht erwähnten Personen.
Das Gedicht „Auf der Überfahrt“ wurde von Herr M. Matsuda nach der Vertonung von Carl Löw auf Deutsch an der ehemaligen Fähre in Hofen gesungen. Seitdem der genaue Ort des Gedichts bekannt ist, war es der große Wunsch der Uhlandfreunde aus Japan, diesen Ort zu besuchen. Am 24. Mai 2023 wurde dieser Wunsch schließlich wahr.
Die Tour begann mit einem Besuch der Kirche und des Pfarrhauses in Schmiden, wo Uhlands Onkel von 1800 bis 1813 als Pfarrer tätig war. Sowohl Uhlands Onkel als auch die Burgruine Hofen wurden im Gedicht erwähnt und waren daher wichtige Stationen der Tour. Den krönenden Abschluss bildeten das Fährhaus und die Schautafel, die an die Überfahrt erinnern. Zur Freude aller wurde das Gedicht von Herrn Matsuda auf Deutsch nach der Vertonung von Carl Löwe gesungen.
Die Uhlandfreunde aus Japan veröffentlichten im Jahr 2022 ein Büchlein mit dem Titel „WATASHI NI WA DORAMA GA ATTA“ („Auf der Überfahrt gab es Dramen“), um das Gedicht für zukünftige Generationen besser zugänglich zu machen. Die Uhlandfreunde aus Japan hoffen, dass das Gedicht „Auf der Überfahrt“, der Dichter Ludwig Uhland und die Hofener Fähre auch in Japan die Anerkennung erhalten, die sie verdienen.
Weitere Informationen über Ludwig Uhland und das Gedicht „Auf der Überfahrt“ finden Sie hier bei Menschen am Neckar.