Tornado-Sommer am Neckar
Im Sommer 1913 wüteten mehrere Tornados am oberen Neckar. Am 1. Juni traf der erste Plochingen. Drei Tage später suchten gleich mehrere Windhosen Mühlen am Neckar heim. Sie verursachten, was als Wetterkatastrophe in die Regionalgeschichte einging.
Der Sommer 1913 war der kälteste in Baden-Württemberg seit Aufzeichnung der Wetterdaten ab 1881. Nur 14,36 Grad Celsius im Durchschnitt sind eigentlich keine gute Ausgangslage für starke Sommergewitter mit Hagel und Starkregen. Dennoch wurde das Neckartal zwischen Südschwarzwald und Zollernalb Ende Mai 1913 von heftigen Gewittern heimgesucht. Sie sollten nur Vorboten des Tornado Sommers sein.
Am 1. Juni richtete der erste Wirbelsturm in Plochingen große Schäden an. Der Bahnhof wird schwer beschädigt und Waggons werden aus den Gleisen gedrückt. Häuserwände brechen ein. „Ein grässliches Bild der Verwüstung bot sich dem staunenden Auge“, ist in der Esslinger Zeitung tags darauf zu lesen. Der Schaden ist so groß, dass sich Menschenmassen mit der Eisenbahn auf den Weg nach Plochingen machen, um die Verwüstungen zu bestaunen.
Was drei Tage später in Mühlen (heute ein Teil von Horb) passieren sollte, überstieg das, was die Menschen bislang für vorstellbar gehalten hatten. Eine Wetterfront vom Südschwarzwald warf zunächst große Hagelkörner über Horb ab. Dabei gingen Fenster und Dächer kaputt. Kurz darauf entstand wenig weiter am Mühlener Bahnhof direkt am Neckar gelegen mehrere Windwirbel, die schnell den Neckar überquerten und schwere Verwüstungen in Mühlen anrichteten und dann richtig Eutingen abzogen.
In kürzester Zeit wurden Dächer abgedeckt, Hauswände brachen zusammen und der Wald um Mühlen herum wurde fast gänzlich kahlrasiert. Fabrikgebäude, Kirche und Friedhof wurden schwer beschädigt. Auch in anderen Nachbargemeinden wie Baisingen brachte die Gewitterfront Sturm und vermutlich auch Luftwirbel in den Ort, die dort noch nicht an Kraft eingebüßt hatten. Erst bei Bondorf 14 Kilometer entfernt lösten sie sich auf.
Glücklicherweise forderten die Windwirbel in allen betroffenen Orten keine Todesopfer. Doch die Zerstörungen brachten einen großen wirtschaftlichen Schaden und nicht zuletzt verzweifelte Menschen, die mit bloßem Leben davongekommen waren.
Landesweit wurden große Hilfsaktionen ins Leben gerufen, an der sich auch die königliche Familie, insbesondere Königin Charlotte von Württemberg, beteiligte. Viele Freiwillige strömten an die Unglücksorte und halfen den Sturmopfern bei den Aufräumarbeiten. So folgte der Wetterkatastrophe im Sommer 1913 eine Demonstration der Solidarität.
Zum Weiterlesen:
Harald Schmidt. Weggeweht . Die Wirbelsturm-Katastrophe von 1913. Esslingen am Neckar 2013.
Timo Renk. Wirbelsturm verbreitet Angst und Schrecken. In: Schwarzwälder Bote 05.06.2013, online.
Peter Stotz. Deutschland rüstet weiter auf – Wirbelsturm verwüstet Plochingen. In: Eßlinger Zeitung 03.07.2018, online.
Thomas Sävert. Tornadoliste Deutschland. online.