Ludwig Uhland und die Fähre in Hofen
Ich bin vor mehr als 60 Jahren in Hofen geboren. Als geschichtlich interessierter freue ich mich immer, wenn ich in der Literatur ewas über meinen Heimatort und den Neckar finde. Die Fähre in Hofen ist in dem Gedicht von Ludwig Uhland „Auf der Überfahrt“ literarisch verewigt.
Auf der Überfahrt
Über diesen Strom, vor Jahren,
Bin ich einmal schon gefahren.
Hier die Burg im Abendschimmer,
Drüben rauscht das Wehr, wie immer.
Und von diesem Kahn umschlossen
Waren mit mir zween Genossen:
Ach! ein Freund, ein vatergleicher,
Und ein junger, hoffnungsreicher.
Jener wirkte still hienieden,
Und so ist er auch geschieden,
Dieser, brausend vor uns allen,
Ist in Kampf und Sturm gefallen.
So, wenn ich vergangner Tage,
Glücklicher, zu denken wage,
Muß ich stets Genossen missen,
Teure, die der Tod entrissen.
Doch was alle Freundschaft bindet,
Ist, wenn Geist zu Geist sich findet;
Geistig waren jene Stunden,
Geistern bin ich noch verbunden.
Nimm nur, Fährmann, nimm die Miete,
Die ich gerne dreifach biete,
Zween, die mit mir überfuhren,
Waren geistige Naturen.
Autor: Ludwig Uhland (1787-1862)
Titel: Auf der Überfahrt (9. Oktober 1823)
Die im Gedicht beschriebenen Personen sind so interessant, dass es sich lohnt diese vorzustellen:
„…jener wirkte still hienieden und so ist er auch geschieden…“ Gemeint ist Christian Eberhard Hoser, geboren 1753 in Tübingen, von 1800 bis zu seinem Tod 1813 Pfarrer in Schmiden. Er war Taufpate von Ludwig Uhland und der Bruder seiner Mutter. Zusammen mit seinem Jugendfreund Friedrich Harpprecht besuchte Ludwig Uhland öfters seinen Onkel. Ludwig Uhland, sein Onkel Christian Hoser, sowie sein Freund Friedrich Harpprecht besuchten wohl öfters die Schwester von Uhlands Vater Gottliebin Schmid geborene Uhland, die in Feuerbach mit dem Pfarrer Johann Georg Schmid verheiratet war. Bei der Wanderung von Schmiden nach Feuerbach führt der kürzeste Weg über den Neckar mit der Fähre in Hofen.
Die zweite mitfahrende Person „… brausend vor uns allen, ist im Kampf und Sturm gefallen…“ hat ein bewegtes Leben und ein strenges Schicksal hinter sich. Friedrich Harpprecht, 1788 in Stuttgart geboren, stammt aus einer bedeutenden württembergischen Juristenfamilie. Beide studierten Rechtswissenschaften und hatten große Freude an der romantischen Dichtung. Die beiden Studenten verstanden sich prächtig und verbrachten viel Zeit miteinander. Auf Ausflügen und Wanderungen besuchten sie die Verwandtschaft wie Uhlands Onkel in Schmiden.
Während Uhland sein Studium im Mai 1808 erfolgreich abschließen konnte, wurde Harpprecht aus freien Stücken Soldat. Bereits im Mai 1809 zog er und mit ihm weitere württembergische Soldaten an der Seite Napoleons gegen Österreich. Er war ein junger Offizier, eben über zwanzig, ein stolzer, schöner Mann mit glühendem Temperament, idealistisch und leicht entflammbar. In der Schlacht von Moja wurde seiner militärischen Laufbahn am 7. September 1812 ein Ende gesetzt. Das rechte Bein wurde ihm durch eine Kanonenkugel zerschmettert. Noch im Feldlazarett wurde ihm der abgeschossenen Fuß über dem Knie amputiert. Beim Übergang über die Beresina verdankt er seine Rettung der Treue einiger Soldaten, die ihn hinübertrugen. Von hier schleppte er sich zu Pferde fort ohne Verpflegung und ausreichende Kleidung.
Als er nach vier eiskalten Tagen wieder auf die Truppe stieß, meldete er dem Generalleutnant mit großer Gelassenheit, dass er nun den linken Fuß erfroren habe. Als die Truppen nach zweitägigem Aufenthalt Wilna verlassen mussten, musste er zurückgelassen werden. Er starb an seinem 25. Geburtstag, am 10. Januar 1813.
Als Ludwig Uhland 1823 wieder einmal mit der Fähre hier in Hofen über den Neckar nach Mühlhausen übersetzte überkam Ihn die Erinnerung an seine Jugendzeit, an die von ihm geschätzten und geliebten und zwischenzeitlich verstorbenen Freunde mit solcher Heftigkeit das er daraufhin das Gedicht „Auf der Überfahrt“ schrieb.