William Turners Neckarreisen
Joseph Mallord William Turner ist einer der bedeutendsten Maler der Romantik – bekannt für seine farbfreudigen und stimmungsvollen Ölgemälde von Schiffsszenen und Landschaften. Mehrere Male bereiste er zwischen 1831 und 1844 auch den Neckar. Was führte ihn hierher?
Mit der Niederlage Napoleons 1815 war es Briten wieder uneingeschränkt möglich, Europa und vor allem den Sehnsuchtsort Italien zu besuchen. Wie viele andere wählte auch William Turner mit 42 Jahren 1817 unter dem Eindruck erster Reiseführer und Lord Byrons Werken den Weg über das Rheintal entlang der „Route Napoléon“. Aus den Skizzen fertigte er zurück in England Aquarelle von mittelalterlichen Burgen und Schlössern, die in Reiseführern wiederum den britischen Tourismus antrieben.
Es wäre vermessen zu behaupten, dass Turner den Neckar zu seinen Lieblingssujets zählte. Der Neckar war nur als einer der Nebenflüsse des mythischen Rheins interessant. Und selbst der Rhein konnte aus seiner Sicht nicht mit der Lichtstimmung Italiens mithalten. Auf all seinen Reisen führte er Skizzenbücher mit sich, in die er mit Graphit Burgen, Schlösser und Landschaften zeichnete.
So auch das Skizzenbuch „On the Neckar“ auf seiner Reise bis nach Heilbronn 1833 und „Heidelberg up to Salzburg“ 1844, das ihn den Neckar entlang bis Esslingen führte. Dann schon etwas komfortabler seit Einführung der Dampfschifffahrt 1841. Nur wenige der Skizzen kolorierte er mit Aquarellfarben. Wie die Zwingenburg oberhalb von Zwingenberg (Baden).
Besonders schätzte er das während des pfälzischen Erbfolgekriegs (1688–1697) geschliffene Heidelberg und seine Burg. Dutzende stimmungsvolle Aquarelle hinterließ er der Nachwelt. Und im Falle Heidelbergs das einzige Ölgemälde auf Leinwand, das eine Szene am Neckar zeigt. Zu sehen ist eine Menschenmenge um Elizabeth Stuart, Tochter englischen Königs James I.
Sie war mit Friedrich V. dem Kursfürsten zur Pfalz und bei Rhein 1613 verheiratet worden und gelangte als Winterkönigin zur einiger Berühmtheit. Im Hintergrund die Heidelberger Burg und im Tal nebelverhangen der Neckar. Das Motiv zeigt dabei Themen der Romantik in England – pittoreske Landschaften, historische Sujets und die Festungswerke vergangener Jahrhunderte.
Im Gegensatz zu seiner Frühphase ging es ihm nicht um die lebensechte Darstellung von Burgen, sondern um das Einfangen von Stimmungen und Licht. 1951 zeigte das British Museum in einer Leihausstellung Aquarelle vom Neckar in Deutschland. Dabei scheiterte die Identifizierung mancher Städte wie Heilbronn nicht nur am romantisierenden Stil, sondern daran, dass einige der markantesten Gebäude im Krieg zerstört worden sind. So sind Turners Skizzen auch Zeugnisse für die Nachwelt, welches Kulturerbe Nationalsozialisten und Krieg zerstört haben.